Ein Werkstoff-Mix aus Kunststoff, koextrudiert mit Metall, gab dem neuen thermisch optimierten Isolierglas-Abstandhalter den Namen: Thermix. Die gleichnamige Firma gründete Georg Greubel, ein findiger Glasexperte aus Altshausen bei Ravensburg, 1993. Und schon 1994 begann die Serienproduktion beim Entwicklungspartner Ensinger, der Thermix schließlich 1997 komplett übernahm. Der Kunststoff-Spezialist war in der Branche bereits bekannt für seine 1977 eingeführten insulbar Dämmprofile zur thermischen Trennung der Metallrahmen von Fenstern, Türen und Fassaden.
Klar war: Die Anforderungen der Kunden und des Gesetzgebers an den Wärmeschutz von Gebäuden würden mit den Energiepreisen weiter steigen. Seit Ende der 1970er Jahre wurden in Deutschland kaum noch Einfachglas-, Kasten- oder Verbundfenster gefertigt. Isolierglas dominierte. Und seine thermischen Vorteile verbesserten sich dank Beschichtungen und Edelgas im Scheibenzwischenraum weiter. Eine Schwachstelle blieb jedoch bis in die 1990er Jahre erhalten: die Wärmebrücke im Randverbund des Isolierglases.
Warme Kante statt Wärmebrücke
„Die Abstandhalter am Scheibenrand beeinflussen die Dämmwirkung von Fenstern und Fassaden über die Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten“, erklärt Ingrid Meyer-Quel, bis 2011 Produktmanagerin und Vertriebsleitung für Thermix und heute selbstständige Beraterin für warme Kante und Glas. „Besteht der Spacer aus Stahl oder Aluminium, geht wegen der hohen Wärmeleitfähigkeit des Metalls im Randbereich von Verglasungen viel Energie verloren. Hochdämmende Kunststoffprofile, meist mit einer dünnen Diffusionssperre aus Edelstahl ausgestattet, minimieren diese Wärmebrücke effektiv.“
Die Architekten der wachsenden Passivhaus-Bewegung erkannten die Vorteile von Thermix rasch: Weniger Energieverluste bedeuteten geringeren Heiz- und Kühlbedarf, niedrigere Energiekosten und CO2-Emissionen. Zudem stieg der Wohnkomfort. Da der Glasrand auch bei kühleren Außentemperaturen warm blieb, konnte sich kaum noch Feuchtigkeit aus der Raumluft am Verglasungsrand absetzen. Damit sank das Risiko von Tauwasser- und Schimmelpilzbildung.
„Umstieg so leicht wie möglich“
„Wir haben das Produkt so konzipiert, dass es Isolierglasherstellern den Umstieg so leicht wie möglich macht“, erklärt Heinz Raunest, der Thermix als Anwendungstechniker seit dem ersten produzierten Meter bei Ensinger begleitet. „Die Profilstange ließ sich ohne größere Investition oder Schulung der Mitarbeiter auf bestehenden Linien verarbeiten. Das Material vertrug sich gut mit allen üblichen Dichtstoffen und dazu lieferten wir passende Verbindungselemente und Wiener Sprossen in zahlreichen Abmessungen und Farben.“
Doch Thermix war seiner Zeit etwas voraus. In den 1990er Jahren wurde bei der standardisierten energetischen Bewertung von Fenstern und Fassaden die Wärmebrücke im Übergangsbereich von Glas zu Rahmen noch gar nicht berücksichtigt. Der Mehrwert einer warmen Kante ließ sich vielen Kunden daher nur schwer vermitteln. Die Isolierglashersteller zögerten, wenngleich sich ab 1994 im Entwurf der DIN EN ISO 10077 (damals 30077) bereits abzeichnete, dass eine umfassende Neubewertung bevorstand.
Normierung des neuen Markts
„Den Weg in den Massenmarkt mussten wir mit Grundlagenarbeit erst noch ebnen“, erinnert sich Ingrid Meyer-Quel, die seit 1998 zu den Gründungsmitgliedern des „Arbeitskreis warme Kante“ beim Bundesverband Flachglas (BF) zählt. Mit Forschungsinstituten wurden Kriterien für den wärmetechnisch verbesserten Randverbund definiert, Rahmenmodelle und Berechnungsverfahren entwickelt. Die BF-Datenblätter mit repräsentativen Psi-Werten für Fenster und für Fassadenprofile gelten inzwischen weit über Deutschland hinaus als Referenz.
Im November 2000 trat die DIN EN ISO 10077 in Kraft. Der Psi-Wert als längenbezogener Wärmedurchgangskoeffizient für die Wärmebrücke am Glasrand floss nun neben den flächengewichteten Werten von Verglasung (Ug) und Rahmen (Uf) in die Berechnung des U-Wertes von Fenstern (UW) ein. Thermisch verbesserte Abstandhalter erhielten dadurch einen deutlichen Schub, der sich mit den steigenden gesetzlichen Anforderungen an den Wärmeschutz weiter verstärkte.
Ende nicht in Sicht
Heute bietet der Markt eine Vielzahl von Varianten der warmen Kante Abstandhalter: zu Rahmen verarbeitbare Stangenprofile aus Edelstahl sowie Hybrid-Profile aus Kunststoff mit Edelstahl oder Verbundfolie ebenso wie flexible Systeme, die aus dem Fass (thermoplastische Spacer, TPS) oder von der Rolle (geschäumte Profile) auf die Scheiben appliziert werden. Zwei Drittel aller in Deutschland produzierten Fenster haben heute thermisch optimierte Abstandhalter – aber warum nicht längst alle?
„Energieeffizientes Bauen ist ein komplexes Thema, bei dem Visionäre die obere und Regulierer die untere Orientierungslinie des Markts ziehen“, weiß Heinz Raunest, der Thermix-Kunden weltweit betreut. „Aber es ist ganz einfach so: Ein gut dämmender Abstandhalter anstelle von Aluminium verbessert den U-Wert eines Fensters um 0,1 bis 0,2 W/m2K – das entspricht bei einem UW von 1,0 W/m2K zehn Prozent. Egal ob ein Raum beheizt oder gekühlt wird: Es gibt kaum ein Bauteil, das sich schneller auszahlt. Das gilt für den Geldbeutel, den Wohnkomfort und die Umwelt.“
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Meilensteine in der Entwicklung des Isolierglas-Randverbunds
1865 meldete der Amerikaner Thomas D. Stetson ein Patent für eine Zweifachverglasung an. Als Isolierung zwischen den miteinander verklebten Glasscheiben diente dehydrierte Luft. Auch an thermisch trennende Abstandhalter hatte Stetson bereits gedacht. Doch die verwendeten Materialien und Dichtstoffe waren zu durchlässig. Das Isolierglas hielt nicht dauerhaft dicht.
1930 entwickelte der amerikanische Ingenieur C.D. Have die Idee weiter. Er verwendete metallene Abstandhalter, die mit dem Glas hermetisch verlötet wurden. Unter dem 1941 eingetragenen Markennamen „Thermopane” wurde die Isolierverglasung in den Folgejahren in Nordamerika und Europa zunehmend populär.
1955 kam Isolierglas ohne Randverbund auf den Markt. Bei Marken wie „Gado“ und „Sedo“ wurden die Glasscheiben am Rand miteinander verschmolzen und gekröpft.
1959 entwickelte der deutsche Glasveredler Alfred Arnold (ISOLAR) den organisch geklebten Randverbund mit einem metallischen, zum Scheibenzwischenraum hin perforierten Hohlprofil und elastischem Dichtstoff. Das Verfahren wurde zum heute üblichen zweistufig geklebten Randverbund weiterentwickelt.
1980er Jahre: In den USA wurde der Begriff „warm edge“ geprägt. Er umfasste alle im Vergleich zu Aluminium thermisch verbesserten Abstandhalter.
1993 gründete Georg Greubel die Firma Thermix und brachte gemeinsam mit dem Entwicklungspartner Ensinger den ersten wärmetechnisch optimierten Abstandhalter aus hochdämmendem Kunststoff mit einer dünnen Diffusionssperre aus Edelstahl auf den Markt. Der Vorteil: Thermix ließ sich auf bestehenden Anlagen quasi genauso gut verarbeiten wie Metall. Eckverbinder und Wiener Sprossen ergänzten das Portfolio.