Mit Röntgenstrahlen lässt sich Unsichtbares sichtbar machen – ein Effekt, den sich auch die Astronomie zunutze macht. Manche Planeten, aber auch die Umgebung schwarzer Löcher senden Röntgenstrahlung aus. Doch ihre Beobachtung gestaltet sich extrem schwierig. Denn diese Strahlung wird von unserer Atmosphäre absorbiert, was den Einsatz von Teleskopen auf der Erde unmöglich macht. Erst der Einsatz satellitengestützter Wolter-Teleskope ermöglicht einen tieferen Blick in die Dunkelheit des Alls.
Beim Wolter-Teleskop fällt die elektromagnetische Strahlung durch eine Anordnung ineinander geschachtelter Spiegelschalen. Durch den sehr flachen Eintrittswinkel wird die Strahlung nicht absorbiert, sondern reflektiert, und kann zum Detektor geführt werden. Dieser erzeugt nicht nur ein zweidimensionales Bild, sondern misst auch die Energie der eintreffenden Photonen. Diese Form der Spektroskopie ermöglicht Rückschlüsse auf die innere atomare Struktur, Temperatur sowie chemische und physikalische Vorgänge im Betrachtungsfeld.
Gläserne Spiegel weiten die Sicht
Wissenschaftler an der DTU Space in Kopenhagen (Dänemark), der Columbia University in New York (USA) und am GSFC in Greenbelt (USA) schufen nun mit einer neuen Technologie die Voraussetzung für deutlich bessere Bilder aus den Tiefen des Universums. „Unsere wichtigste Innovation sind neue Spiegel aus thermisch geformtem und beschichtetem Dünnglas“, sagt Finn Erland Christensen, wissenschaftlicher Leiter der Abteilung für Astrophysik an der DTU. „Sie können Röntgenstrahlung mit zehn Mal mehr Energie reflektieren als die Teleskope der aktuellen NASA-Mission Chandra und der ESA-Mission XMM-Newton. Damit erhalten wir eine 100 Mal höhere Sensibilität im Bereich der harten Röntgenstrahlung“, fügt er hinzu.
Für die Teleskop-Optik verwenden Christensen und sein Team Spiegelschalen aus 0,21 Millimeter dünnem Glas von SCHOTT, das in mehreren Lagen angeordnet ist. „Dünnglas ist leicht, biegsam und stabil und kann thermisch zu nahezu konischen Segmenten geformt werden. Vor allem aber bietet es eine deutlich bessere Oberflächenstruktur als Metall oder Kunststoff – die Rauheit beträgt weniger als 5 Atom-Radien. Das bedeutet, dass wir diese Oberflächen direkt beschichten können mit den spiegelnden, mehrlagigen Strukturen, die die Reflektion der harten Röntgenstrahlung ermöglichen“, sagt Christensen.
Im Weltraum zählt jeder Nanometer
„Die geforderten Toleranzen betrugen 0,4 bis maximal 0,6 Nanometer. Zum Vergleich: Die kleinsten, mit einem herkömmlichen Lichtmikroskop erkennbaren Strukturen, sind etwa 200-500 Nanometer groß. Doch bei einem Astronomischen Teleskopspiegel können selbst Nanometer-feine Streifen oder Wellen zu starken Verzerrungen führen“, erklärt Oliver Jackl, Produktgruppenleiter von SCHOTT Electronics & Biotech in Grünenplan (Deutschland). „Auf Grund kontinuierlicher Weiterentwicklung unseres Ziehverfahrens können wir Oberflächenrauhigkeiten von weniger als 1 Nanometer garantieren. Dadurch werden neue Hightech-Anwendungen erst möglich.“
Zur Herstellung der Spiegelträger wurde das Dünnglas „D 263 T“ von SCHOTT verwendet. Dabei handelt es sich um ein farbloses Borosilikatglas mit hoher chemischer Beständigkeit, das dank eines speziellen Herstellverfahrens zwischen 0,03 mm und 1,1 mm dünn sein kann. Verwendet wird das hauchdünne Glas üblicherweise für Infrarot-Filter in Kameras, als berührungssensitives Touch-Panel von Navigationsinstrumenten im Automobil oder als Opto-Kappe für Laser-Dioden und opto-elektronische Sensoren.
NuSTAR kartographiert das Universum
Die neuen Dünnglas-Spiegel werden auf der NASA-Raumsonde NuSTAR installiert, die ab 2011 die Erde umkreisen und die Verteilung Schwarzer Löcher im Universum kartographieren soll. Die NuSTAR-Mission der NASA wird durch das Jet Propulsory Laboratory (JPL) gesteuert. Die leitende Forscherin ist Prof. Fiona Harrison vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena (USA).
NuSTAR besteht aus zwei parallel ausgerichteten Röntgenteleskopen. Die Beobachtung erfolgt durch Wolter-Teleskope, die an einem Ausleger montiert sind, der bis auf eine Brennweite von 10 Metern ausgefahren werden kann. Sie fokussieren die Strahlung auf zwei Detektoren, die sich auf dem Satellitenkörper befinden. Von hier aus werden die Bilder zur Erde übertragen. Die verbesserte Technologie der Teleskope ermöglichte immer neue Entdeckungen: Zählte man in den 1970er Jahren knapp über 300 Röntgenquellen am Himmel, sind bis heute rund 500.000 bekannt.