„Ich war erschrocken als ich hörte, dass die Kinder in Deutschland bereits in der Grundschule entscheiden müssen, welche weiterführende Schule sie besuchen wollen. Da sind sie doch noch viel zu jung!“, erzählt Rechtsanwalt Jean-Gabriel Recq. Der gebürtige Franzose lebt seit Jahren in Stuttgart. Seine Kinder besuchen hier die Deutsch-Französische Grundschule.
In Frankreich würden sie bis zum Alter von 15 oder 16 Jahren am Collège lernen, ähnlich einer Gesamtschule. Dann würden die meisten Jugendlichen versuchen, das französische Abitur, zu bestehen und anschließend studieren. „Wer es jedoch nicht schafft, hat schlechte Karten. Denn eine ähnlich gute und anerkannte berufliche Ausbildung wie in Deutschland gibt es in Frankreich nicht – darauf sind wir richtig neidisch“, schwärmt Recq.
Gute Noten für die duale Ausbildung
Die duale Ausbildung genieße international wie auch im Land eine hohe Anerkennung, bestätigte Dr. Martin Frädrich, Leiter der Abteilung Beruf und Qualifikation der IHK Stuttgart. „Die meisten Schüler finden nach dem Abschluss der Haupt- oder Realschule eine Ausbildungsstelle.“ Bei manchen Jugendlichen daure das etwas länger und es gebe auch schwer vermittelbare Kandidaten. Um deren Chancen zu steigern, sollen die Sprachfähigkeiten der Schüler und der Austausch von Schule und Wirtschaft weiter verbessert werden.
Katja Albersmann, Oberstudienrätin an der gewerblichen Berufs- und Fachschule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart Feuerbach, pflichtete dem bei: „Der enge Austausch von Schule und Wirtschaft erhöht die Berufschancen der Jugendlichen. Das hat sich rumgesprochen – zu uns kommen auch Schüler aus Frankreich.“ Probleme bereiteten jedoch immer wieder mangelnde Grundfähigkeiten wie Respekt, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Konfliktfähigkeit. „Die Ausbildungsbetriebe und Lehrer leisten bei häufigen Gesprächen mit den Schülern und Eltern einen erheblichen Einsatz.“
Was für die Wirtschaft zählt: der Mensch, nicht die Noten
Christoph Mayer-Klenk, Geschäftsführender Gesellschafter der Sandmaster GmbH sieht hier eine der Herausforderungen für die Wirtschaft. „Wir können es uns nur schwer leisten einen Mitarbeiter einzustellen, der unregelmäßig zur Arbeit erscheint oder schlecht mit Kollegen und Kunden kommunizieren kann“. Das Spezialmaschinenbau-Unternehmen mit 70 Mitarbeitern in Deutschland und zehn in Frankreich setzt bei der Personalwahl auf persönliche Empfehlungen und Qualifikationstests.
„Viele Jugendliche wissen viel zu wenig darüber, was im Job gefordert ist“, bestätigt auch Harald Hofherr, Geschäftsführer des Handwerkerhauses Hofstetter in Stuttgart. Das Unternehmen beschäftigt über 40 Mitarbeiter, davon acht Auszubildende. „Wir brauchen Leute, die mit anpacken, sich im Team einbringen, mitdenken und pünktlich sind. Sonst funktioniert das Zusammenarbeiten auf der Baustelle nicht.“
Mit dem Projekt „Stufen zum Erfolg“ unterstützen die Wirtschaftsjunioren insbesondere Hauptschulen mit Referenten aus der Praxis, bieten Knigge- und Bewerbertrainings an, organisieren Betriebsbesichtigungen und vermitteln Betriebspraktika. Weitere Informationen finden sich unter www.wj-stuttgart.de/arbeitskreise-projekte/bildung-und-wirtschaft.html.